Unter dem Motto „Embrace Rio“ („Rio aufgreifen“) hat das Nachhaltigkeitsteam von Tania Braga (Head of Sustainability Rio 2016) eine interessante Nachhaltigkeitsstrategie auf die Beine gestellt. Die drei Säulen und die Schwerpunkten dieser Strategie sind:
- People – „Games for all“: Engagement, Sensibilisierung, Barrierefreiheit, Vielfalt und Inklusion.
- Planet – „Reduced Environmental Footprint“: Transport und Logistik, Naturschutz und ökologische Erholung, nachhaltiges Bauen und Abfallmanagement.
- Prosperity – „Responsible and transparent Management“: nachhaltige Lieferkette, Management und Reporting.
Diese 3 „P“ -People, Planet and Prosperity- entsprechend die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Soziales, Ökologie und Ökonomie. Apropos Ökonomie, das Organisationskomitee verfügt für die Spiele über einen Etat von 7,4 Mrd. Reais (circa 1,8 Mrd. Euro). Die gesamte Investition von Rio 2016 – inklusive Sportstätten und öffentliche Infrastruktur– belaufen sich aber auf 37,7 Milliarden Reais (etwa 10 Mrd. Euro). Zum Vergleich: die Fußball-WM 2014 in Brasilien kostete ungefähr 13,3 Mrd. Euro. Auf jeden Fall müssen aber noch die endgültigen Zahlen abgewartet werden, da eine Studie der Oxford University („Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960-2012„) aus dem Jahr 2012 zeigt, dass die Olympischen Spiele durchschnittlich um 179% die angegebenen Kosten der Bewerbung überschreiten.

Sustainable Supply Chain
Die Olympischen Spiele zu organisieren ist vor allem eine logistische Herausforderung. Das Organisationskomitee muss, laut eigener Schätzung, circa 30 Millionen Gegenstände für die Veranstaltung kaufen bzw. mieten. Während der Spiele werden 14 Millionen Mahlzeiten zubereiten, was bedeutet, dass ungefähr 6.000 Tonnen Lebensmittel benötigt werden. Sollen beim Kauf dieser Gegenstände und Lebensmittel soziale, ökologische sowie ökonomische Aspekte berücksichtigt werden, stellt dies eine enorme Aufgabe dar.
Das Nachhaltigkeitsteam hat ein „Sustainable-Supply-Chain-Guide“ mit Nachhaltigkeitskriterien für die Beschaffung und das Sponsoring veröffentlicht. Einige der vorgesehen Maβnahmen sind:
- Holz und Papier: Da Brasilien ein Land „de Florestas“ (Wälder) ist, müssen alle Waldprodukte aus 100% Recyclingfasern bestehen oder z.B. durch den Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein. Diese Bestimmung ist äußerst relevant, denn allein für den Bau des Velodroms bedarf es 92 m³Holz.
- Packaging: „Wann immer es möglich ist“, müssen die Verpackungen mit recycelbaren und recycelten Materialien hergestellt werden. Das klingt eigentlich ein bisschen schwammig. Immerhin müssen die Verpackungen aber mit den Richtlinien der nationalen Abfallpolitik (PNR) übereinstimmen. Diese sind: Vermeidung, Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling. Es gibt auch einen Guide-for-Packaging für die Lieferanten.
- Lebensmittel: Die Lieferanten von Fleisch- und Milchprodukten müssen die „Zero Deforestation“ Vereinbarung unterschreiben. Für Fisch und Meeresfrüchte gibt eine Partnerschaft mit dem Marine Stewardship Council (MSC) und Aquaculture (ASC). Allerdings möchte das Organisationskomitee nicht ausschließlich zertifizierten Fisch bzw. Meeresfrüchte kaufen, sondern verpflichtet sich nur MSC und ASC zu „unterstützen“ und diese zertifizierten Lebensmittel zu „befördern“. Eine Besonderheit: Nahrungsmittel und Getränke werden 80% der gesamten Abfälle während der Spiele verursachen.
- Die Arbeitsbedingungen: Die Lieferanten und Subunternehmer müssen sicherstellen, dass die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeitern die Mindestanforderungen der „Code of the Ethical Trading Initiative (ETI) erfüllen. Es gibt auch eine Zusammenarbeit mit Sedex Global, einer Non-Profit-Organisation, die sich für die Entwicklung von fairen, globalen Lieferketten einsetzt. Sie bietet Unternehmen Informationen über potentielle Geschäftspartner und deren soziale Standards.

Carbon Footprint
Die Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 werden laut der Prognose des Organisationskomitees etwa 3,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verursachen. Das ist genau so viel wie durch die Nutzung von 32 Millionen Handys in einem Jahr entstehen. Die Stadt Rio verursacht 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, Berlin 20,7. Die An- und Abreisen der Zuschauer verursacht den größten Teil, nämlich rund 39% des Gesamtreferenzszenarios. Circa 15% des Publikums wird von außerhalb Brasiliens kommen.

Die strategischen Leitlinien um diesen CO2-Ausstoß möglichst niedrig zu halten, sind:
- Vermeiden und Reduzieren von Emissionen durch richtige Planung. Verwendung von low-carbon Materialien und Gegenständen.
- Ersetzen: Verwendung von kohlenstoffarmen Kraftstoffen wie Ethanol und Elektrizität.
- Kompensieren: Nicht vermeidbare Emissionen durch Investitionen in Klimaschutzprojekte kompensieren. Dafür arbeitet das Komitee mit DOW Chemical Company zusammen.
Positiv wirkt sich auf den Carbon Footprint aus, dass in Brasilien bereits 45,3% des gesamtes Endenergiebedarfs aus erneuerbaren Energien stammt (in Deutschland 13,5% im Jahr 2014).
Alle Informationen zum Thema: Carbon Footprint Management Report Rio 2016
Die umstrittensten Punkte
- Bucht von Guanabara: Die Olympia-Bucht ist leider für ihre starke Wasserverschmutzung durch Giftstoffe und Müll bekannt. Momentan sieht es nicht danach aus, dass die Wasserqualität bis zum Beginn der Spiele die erforderliche Standards erfüllen wird.
- Die Golfanlage wurde in einem Umweltschutzgebiet errichtet. Das Organisationskomitee hat versucht dies damit zu rechtfertigen, dass sich das Gebiet in einem sehr schlechten Zustand befunden habe. Hierzu wurde folgende *Infotabelle veröffentlicht:
- Umstrittene Sponsoren wie McDonalds: Dieser Multi des Fast-foods ist nicht gerade bekannt für seine Nachhaltigkeitspolitik. Hier stellt sich die Frage, ob konsequenterweise auf die finanzielle Unterstätuzung solcher Unternehmen verzichtet werden sollte?
- WM 2014-Heritage? In einem Bericht laß ich: „For the 2016 Games, the Area adjacent to the Maracana Stadium will require large-scale urban renewal„. Wie kann es sein, dass nur 2 Jahre nach der Fußball-WM in Brasilien und 15 Milliarden Dollar Investitionen das Gebiet um das Stadium von Maracana einer „umfangreichen Erneuerung“ bedarf?
Kommentar
Der Trend ist eindeutig. Nachhaltigkeit ist eines der Kriterien, das zunehmend in allen Entscheidungsprozessen bei der Organisation der Olympischen Spiele berücksichtigt wird. Die Kunst dabei ist, Nachhaltigkeit mit anderen grundlegenden Aspekten wie den Gesamtkosten, der Qualität, den Fristen und Risiken zu vereinbaren. Das ist keine einfache Aufgabe. Das Organisationskomitee von Rio 2016 hat aber bereits die ISO 20121 Zertifizierung (International Standard for Sustainable Event Management) bekommen. Sie sind also zumindest auf dem richtigen Weg. Lobenswert ist auch, dass das Nachhaltigkeitsteam umfangreiche Informationen online zur Verfügung stellt. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz.
*Quellen: Alle Dokumente zum Thema Nachhaltigkeit Rio 2016 stehen HIER zur Verfügung. Sowohl die Bilder als auch die Informationen in diesem Beitrag habe ich aus diesen Dokumenten entnommen. Besonders lesenswert ist der „Carbon Footprint Management Report“.
Infographic von Alberto Ravelli (www.greenmatch.uk.co):
2 Gedanken zu „Nachhaltigkeitsstrategie der Olympischen und Paralympischen Spiele Rio 2016“